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Die silbersüchtigen Phönizier

Die Phönizier bewohnten im 1. vorchristlichen Jahrtausend die Ostküste des Mittelmeers. Ihre wichtigsten Städte waren Akko, Arvad, Tripoli, Byblos, Beirut, Sidon, Tyro, Accra und Dor. Es waren Semiten, die eine Art Alt-Hebräisch sprachen. Als kühne Seefahrer und geschäftstüchtige Kaufleute segelten sie bis ins westliche Mittelmeer.

Die Phönizier bauten seetüchtige Schiffe mit viereckigem Segel, die bei Flaute gerudert wurden. Sie drangen im Mittelmeerraum immer weiter nach Westen vor, trieben Handel und gründeten schliesslich zahlreiche Niederlassungen. Das wichtigste Handelsgut der Phönizier war das hochfeste, doch relativ leicht zu bearbeitende Holz der im benachbarten Libanon- und Karmelgebirge wachsenden Zedern. Aber auch Elfenbein, Textilien, der aus Meeresschnecken gewonnene Farbstoff Purpur (ein Indigo-Derivat) sowie Wein und Olivenöl gehörten zu ihrem Angebot. Warum und wann die Phönizier im Mittelmeerraum immer weiter nach Westen drangen, weiss man heute aufgrund der Arbeiten von Tzilla Eshel und Mitarbeitern an der University of Haifa und der Hebrew University of Jerusalem.

Diese Forscher untersuchten drei in Israel ausgegrabene phönizische Silberhorte, nämlich Tonkrüge, die flache, ungeformte Rohsilberstücke mit rund einem Prozent Blei und mehreren Prozent Kupfer enthielten. Aufgrund von Kohlenstoff-14 Altersbestimmungen des im Umkreis der Krüge gefundenen, organischen Materials (Holzkohle und verkohlte Olivenkerne), wurden die drei Silberhorte auf das 10. und 9. beziehungsweise 8. vorchristliche Jahrhundert datiert. Das Verhältnis der Blei-Isotope 206/204, 207/204 und 208/204 im phönizischen Silber  ermöglichte zudem die Ermittlung der Herkunft des Edelmetalls.

Die Isotopenverhältnisse bilden nämlich einen für jede Lokalität charakteristischen „Fingerabdruck“; er ergab sich aus den bei der Erzbildung herrschenden Druck- und Temperaturbedingungen. Aus den von Eshel et al. durchgeführten Analysen ging hervor, dass die ältesten phönizischen Silberproben aus dem Taurusgebirge in Kleinasien und von der griechischen Insel Thera stammten. Deutlich jünger war Silber aus Sardinien; die jüngsten Proben stammten aus der noch weiter entfernten Iberischen Halbinsel, die heute Spanien und Portugal umfasst.

Silber aus Bleiglanz und Jarosit

Ihre Handelswaren tauschten die Phönizier vorwiegend gegen Rohsilber oder Mineralien, aus denen Silber gewonnen werden konnte. Dem Wirtschaftswachstum verschrieben, brauchten sie ständig mehr Silber und suchten darum immer weiter entfernte Destinationen auf, um solches zu beschaffen. So erforschten sie Zypern, Kreta, Anatolien, Sizilien, Sardinien, Nordafrika, die Balearen und die Iberische Halbinsel. Im Fall des silberreichen Taurusgebirges und Sardiniens verarbeiteten die Phönizier (oder die Völker, bei denen sie Silber erwarben) das Mineral Galenit (auch Bleiglanz genannt). Es handelte sich um Bleisulfid, PbS, das je nach Herkunft bis zu mehreren Prozent Silber vorwiegend in Form von Argentit (Silbersulfid, Ag2S) enthielt. Dazu kam ebenfalls silberhaltiges Sphalerit (Zink-Eisensulfid, [Zn,Fe]S).

In Iberien stammte das Silber aus dem Mineral Jarosit, das auch als Raimondit bekannt ist. Es handelt sich um ein hydroxidhaltiges Kalium-Eisensulfat, das bei der Verwitterung des goldfarbenen Pyrits (Eisensulfid, „Katzengold“, FeS2) entsteht. Zur Extraktion des Silbers aus Bleiglanz wurde dieser in einem gemauerten Ofen erhitzt, um das Bleisulfid in Bleioxid umzusetzen, wobei das ätzende Gas Schwefeldioxid entwich. Anschliessend reduzierte man das Bleioxid zu metallischem Blei mit Kohlenmonoxid, das beim Verbrennen von Holz und Holzkohle unter reduzierter Luftzufuhr entstand.

Das bleihaltige Silber der Phönizier

Das flüssige Blei wurde weiter erhitzt und oxidiert; das dabei entstandene Bleioxid wurde periodisch abgeschöpft, bis nur noch das schwer oxidierbare und bei viel höherer Temperatur schmelzende Silber (961,8 °C versus 327,5 °C) übrig blieb. Weil das iberische Silber vorwiegend im Mineral Jarosit enthalten war, musste zur Extraktion des Edelmetalls Blei zugegeben werden. Ab dem 6. Jahrhundert vor Christus setzten die Griechen zur Läuterung des aus ihrem Bleiglanz in Laurion beim Kap Sunion gewonnenen Silbers die sogenannte Kupellation ein. Mit diesem Verfahren kann sehr reines, bis zu 99,99-prozentiges Silber produziert werden. Zu jener Zeit prägten nur die Athener Silbermünzen aus wirklich reinem, kupelliertem Silber. Die Kupelle war ein aus Pflanzenasche, Knochenasche und Magnesia gebrannter, sehr poröser Tiegel.

Noch stark bleihaltiges Silber aus dem Treibofen wurde zusammen mit weiterem Blei auf der Kupelle auf hohe Temperaturen erhitzt. Dabei wurde das Blei oxidiert. Es entstand geschmolzenes Bleioxid, das weitere Verunreinigungen wie Kupfer, Zinn, Wismut und Antimon aufnahm. Diese flüssige Phase wurde durch Kapillarkräfte in die Poren der Kupelle gesaugt. Auf der Kupelle verblieb eine Perle reinen Silbers. Für Archäologen ist es ein Glücksfall, dass die Phönizier die Kupellation nicht kannten. So blieb genug Blei in ihrem Silber zurück, um den Ursprung der Erze aufgrund der Bleiisotopen-Verhältnisse zweifelsfrei zu ermitteln.

Quelle: T. Eshel et al., Proc. Natl. Acad. Sci. USA. http://doi.org/c23p(2019)

Bild: Mit solchen Handelsschiffen transportierten die Phönizier ihre Waren bis ins westliche Mittelmeer und brachten Silber aus Kleinasien, Sardinien und der iberischen Halbinsel zurück in ihre Heimatstädte.

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