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Die Keramikerin

Im zweiten Beitrag über die Kleinstberufe, von denen in der Schweiz noch 60 erlernt werden können, geht es um den Beruf der Keramikerin oder des Keramikers. Insgesamt gibt es in der deutschsprachigen Schweiz und in der Westschweiz je rund 30 Jugendliche in Ausbildung.

Keramikerinnen und Keramiker entwerfen und realisieren keramische Objekte in den Anwendungsbereichen Produktdesign oder Kunst. Sie produzieren Einzelstücke oder Kleinserien nach eigenen Vorlagen oder auf Bestellung. Ihre Erzeugnisse stellen sie zumeist als Selbstständigerwerbende in der eigenen Werkstatt her. Die Arbeit umfasst verschiedene Tätigkeiten vom Entwurf zur Ausführung über die professionelle Werkstattführung bis hin zur Werbung.

Keramikerinnen führen die zur Realisierung eines keramischen Produkts notwendigen Recherchen durch und entwerfen ihre Ideen anhand von Freihand- oder Computerzeichnungen sowie Modellen. Durch Experimentieren mit keramischem Material und den verschiedenen Formgebungstechniken erarbeiten sie ein Projekt und führen die Arbeiten aus. Die Wahl des geeigneten Tons sowie der geeigneten Formgebungs- und Dekorations-Technik zur Realisation der Objekte ist massgebend für eine hohe Qualität der Produkte.

Zu den weiteren Tätigkeiten gehören die Werkstattführung, die Verwaltung des Lagers an Rohstoffen und Fertigprodukten, der Unterhalt der Maschinen und Werkzeuge sowie laufende administrative Arbeiten. Der Beruf erfordert persönliches Engagement, um eigene Projekte umsetzen zu können und unternehmerisches Flair, da die meisten auf sich selbst angewiesen sind. Sie entwickeln den Marktbedürfnissen entsprechende Angebote. Aus organisatorischer und ökonomischer Sicht ziehen Keramiker häufig auch andere berufliche Aktivitäten in ihre Arbeit mit ein. Neben der Tätigkeit im eigenen Atelier bestehen lohnabhängige Arbeitsmöglichkeiten. Im Rahmen ihrer beruflichen Aktivitäten vernetzen sich immer mehr mit Personen aus anderen Berufen und unterhalten berufliche Netzwerke.

Gefässe, die von Hand aufgebaut sind.

Die Ausbildung

Der Beruf kann während vier Jahren in einer dualen Ausbildung in einem gewerblichen Betrieb oder als Vollzeitausbildung in einer Fachklasse erlernt werden. Während an einer Fachklasse Eigenverantwortung und kreativer Selbstausdruck erwartet und gefördert wird, erlernen Lernende in betrieblicher Ausbildung die spezialisierten Techniken der jeweiligen Werkstatt. Ein bis zwei Tage pro Woche wird an einer Schule für Gestaltung Theorie unterrichtet.

Fächer wie Berufskunde, Zeichnen, angewandte Technologie, Kunst-, Design- und Keramikgeschichte, Dokumentation und Präsentation, Marketing und Geschäftsführung gehören genauso dazu, wie Allgemeinbildung und Sport. Unter bestimmten Bedingungen kann während oder nach der Grundbildung die Berufsmaturität absolviert werden. Mitbringen sollten Interessierte künstlerische Sensibilität, kreatives, innovatives Potenzial, gutes dreidimensionales Vorstellungsvermögen sowie die Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten. red.

swissceramics.ch

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„Ein wunderbarere Ausgleich zur Schnelllebigkeit“

Elisa Gönner (25) ist im ersten Lehrjahr zur Keramikerin an der Schule für Gestaltung Bern Biel. Gold’Or wollte wissen, wie sie auf diesen Beruf gekommen ist.

Gold’Or: Elisa, warum hast du dich für die Berufslehre als Keramikerin entschieden?

Elisa Gönner: Für mich war immer klar, dass ich handwerklich arbeiten möchte. Nach der Matura habe ich einen Vorkurs an der Zürcher Hochschule der Künste absolviert und anschliessend je ein Semester Innenarchitektur und Spatial Design (deutsch: Raumgestaltung) studiert. Diese beiden Bereiche sind heute aber sehr technisch und haben mit Kreativität nicht mehr viel zu tun. Deshalb haben sie mich nicht „gepackt“. Nach einem Besuch in einem aussergewöhnlichen Restaurant, in dem neben den exklusiven Speisen auch grosser Wert auf passendes Geschirr gelegt wird, wusste ich, dass ich solche Keramikteile herstellen möchte. Dabei sah ich auch gleich eine Verbindung zu meiner zweiten Leidenschaft: dem Kochen.

Was fasziniert dich an diesem Handwerk?

Das Grundmaterial Lehm kommt aus der Natur sowie die Lebensmittel. Mich faszinieren die Verarbeitungsprozesse, bis aus beidem etwas Schönes und Feines entsteht. Es ist ein wunderbarer Ausgleich zur heutigen Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit. Der Beruf der Keramikerin ist viel mehr als Töpfern um Teller und Tassen herzustellen, er ist ausgesprochen vielseitig.

Wie sieht dein Alltag aus?

Der Unterricht beginnt um 8:30 und dauert bis 17 Uhr. Wir sind acht Frauen im ersten Lehrjahr an der Schule für Gestaltung Bern Biel. Es werden Fächer wie Keramiktechnologie, Zeichnen, Kunstgeschichte, IT-Kenntnisse, CAD oder Marketing vermittelt. Dreieinhalb Tage pro Woche arbeiten wir in der Werkstatt, wo unter Anleitung der Lehrpersonen alles praktisch geübt wird, vom Giessen bis zum Handaufbau an der Scheibe.

Welche Vor- und Nachteile gibt es, wenn man in einem Kleinstberuf tätig ist?

Ich finde, es gibt viel mehr Vorteile. In der heutigen Zeit der möglichst günstigen Massenproduktionen gibt es immer mehr Leute, die das Handgemachte, das Künstlerische wieder schätzen. Allerdings möchten auch einige gerne solche Dinge kaufen und verstehen dann nicht, dass sie dafür tiefer in die Taschen greifen müssen.

Was müsste sich ändern, damit wieder mehr Junge einen Kleinstberuf erlernen könnten?

Dafür braucht es sicher mehr Lehrstellen, das heisst mehr Betriebe, die willig sind, ihr Wissen und Können weiterzugeben. Zudem müssten unbedingt die Löhne angepasst werden. Im ersten Lehrjahr als Keramikerin verdient man rund 350 Franken und kommt dann bis zum vierten Lehrjahr auf gerade mal 500 Franken. Als Selbstständigerwerbende muss man sich einen Namen schaffen, damit man gut davon leben kann. Womit ein Keramiker sicher Geld verdienen kann, sind Töpferkurse, die boomen schon seit längerer Zeit. Wer nur im künstlerischen Bereich tätig sein möchte, hat es nicht einfach.

Welche Weiterbildungsmöglichkeiten oder Spezialisierungen gib es?

Man kann eine Berufsmatura absolvieren und ein Studium in Richtung Objekt- oder Industriedesign in Angriff nehmen. Wer kein eigenes Atelier führen möchte, kann sich in der Industrie im Sanitär- oder Plattenbereich weiterbilden. Auch Stuckateure gehen in dieselbe Richtung.

Wie siehst du deine berufliche Zukunft?

Ich bin glücklich, dass ich diesen Beruf gefunden habe. Fünf Tage die Woche allein in einem Atelier klassisches Geschirr auf der Drehscheibe herzustellen, kann ich mir nicht vorstellen. Ich brauche Menschen um mich herum. Spannend fände ich eine Ateliergemeinschaft mit Leuten aus anderen Berufszweigen wie Innenarchitekten oder Objektdesignerinnen, in der gemeinsame Projekte entwickelt werden. Auch der Gastrobereich wäre was für mich, da ich – wie bereits erwähnt – auch gerne koche und mir eine Zusammenarbeit mit einem Koch vorstellen kann. Vielleicht werde ich eines Tages gar selbst am Herd stehen und die Speisen in meinem selbst hergestellten Geschirr servieren.

Daniela Bellandi