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Nachgefragt bei Giulia Taragnoli, Quinto TI

Giulia, was treibt dich an, wenn du am Morgen aufstehst und in dein Atelier gehst?

Wenn meine zwei Buben Celso (11) und Lino (7) aus dem Haus sind, freue ich mich auf mein Atelier mit Verkaufslokal, das ich in fünf Minuten erreiche. Dort angekommen mache ich erst das Licht an, kümmere mich um die Pflanzen und hole die Post. Diese Routinen bringen mir Ruhe, was ich schätze.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Technische Herausforderungen haben mich schon immer fasziniert. Ich fertige am liebsten zierliche Schmuckstücke, in denen sich etwas bewegt. Besonders gerne bringe ich die Edelmetalle mit Schmieden in Form. Zu meinem Stil gehört es, dass präzise gearbeitete, glänzende Teile oft mit eher archaisch anmutenden Teilen, beispielsweise rohen Steinen und geschmolzenen Metallen kombiniert werden. Neben den üblichen Farb- und Edelsteinen, Perlen oder Diamanten verarbeite ich zahlreiche Steine und Kristalle aus der Region und der ganzen Schweiz.

Sind denn Schmuckstücke mit Schweizer Steinen gefragt?

Ja, sehr sogar. Viele Leute sind sich gar nicht bewusst, dass es auch bei uns eine grosse Auswahl an schönen Steinen und Mineralien gibt. Ich verarbeite beispielsweise Titanit, Fluorit, Kyanit, Turmalin oder Amthetisten aus der Schweiz. Die Kunden sind begeistert, wenn sie sehen, dass aus einfachen Steinen oder Mineralien, wie man sie im Wald oder in einem Fluss finden kann, ein schönes und wertvolles (nicht unbedingt im finanziellen Sinn) Schmuckstück gefertigt wurde.

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Giulia Taragnoli mit rohem Kyanit (links) und zwei Quarzen aus der Leventina.

Wie findest du einen Ausgleich zum beruflichen Alltag?

Bei aller Liebe zu meinem Beruf, will ich nicht nur immer ans Arbeiten denken. Ich versuche, mir nicht zu viel Druck aufzuerlegen und ab und zu die Rolle als Mutter oder Goldschmiedin für Momente hinter mir zu lassen. Dann will ich es einfach nur geniessen und mit Freunden zusammensein. Ich tanze fürs Leben gerne und treibe Sport wie Klettern, Karate oder Padel-Tennis, das ich kürzlich entdeckt habe, und das unglaublich viel Spass macht. 

Wofür gibst du unnötig Geld aus ?

Da gibt es nicht viel. Ich den letzten Jahren habe ich gelernt, haushälterisch mit dem Geld umzugehen. Ich kaufe keine unnötigen Dinge, weder Privat noch für mein Geschäft. Ausser bei einheimischen Steinen, da habe ich mir doch schon ein rechtes Lager zugelegt. Wenn ich schöne Stücke sehe, kann ich manchmal nicht widerstehen. Aber irgendwann verarbeite ich sie ja, also ist auch diese Investition nicht unnötig.

Was würdest du jüngeren Berufskollegen mit auf den Weg geben?

Macht euch selbständig. Besonders wenn jemand ein Atelier auf dem Land hat, kann er oder sie unter Umständen bescheiden anfangen, das heisst sich am Anfang einen kleinen Lohn geben. Wir sind Handwerker und das kreative Arbeiten muss im Zentrum stehen. Wer gut organisiert ist und sich um Zuverlässigkeit und einen guten Umgang mit den Kunden bemüht, der kann sich auch finanziell erfolgreich weiterentwickeln.

Mit welcher Berühmtheit würdest du gerne einen Tag verbringen?

Eine junge Frau, die mir Mut macht und die ich gerne treffen würde ist Beatrice Vio aus Italien. Sie hatte mit elf Jahren eine Hirnhautentzündung und musste um ihr Leben kämpfen. Heute ist sie als Rollstuhlfechterin Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin. Ich bewundere ihren Kampfgeist, die Entschlossenheit und ihr Selbstvertrauen.

Was macht gute Laune?

Tanzen, mich bewegen und es mit Freunden lustig haben aber auch wenn ich im Atelier ohne Termine und ohne auf die Uhr schauen zu müssen arbeiten kann. Dann kann sich meine ganze Kreativität entfalten und das macht mich glücklich.

Zum Schluss darfst du noch wünschen, wen wir in dieser Serie als nächstes befragen sollen.

Mein Vorschlag wäre Sandro Ganguin aus Locarno. Wir sind seit Jahren Kollegen und können stundenlang über das Geschäft und die Techniken fachsimpeln. Er ist ein guter Kunsthandwerker und liebt Edelsteine und Perlen, die er oft in seinem eher klassischen Stil verarbeitet.

Daniela Bellandi

buteadaquint.ch