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Handgraveurin feiert ein Jubiläum

Wenn Nicole Grüninger von ihrem Handwerk spricht, ist das „feu sacré“ in ihr förmlich spürbar. Seit fünf Jahren selbständig und seit 21 Jahren im Schmuckhandwerk tätig, ist sie dankbar, den seltenen Beruf der Handgraveurin ausüben zu dürfen. Das selbst hergestellte Werkzeug wird konstant perfektioniert. Jede Gravur muss eine eigene Seele zeigen.

Nicole Grüninger hat sich auf anspruchsvolle Gravuren spezialisiert. Diese umfassen Wappen- und Siegelgravuren, aber auch Verzierungen auf Hohlwaren und komplexe Reliefs. Einfachere Gravuren wie Namen und Daten in Trauringen oder auf Bracelets bietet sie ihren Stammkunden als Dienstleistung an. Spezialisiert hat sie sich auch, weil der Markt für Standard-Gravuren gut abgedeckt ist. Sie ist Handwerkerin von der Pike auf, und dies in mehrfacher Hinsicht.

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Reliefgravur mit ausgeprägten Tiefen und Glanzschnitten.

Seit Kindsbeinen interessiert sich Nicole Grüninger für schöne, kleine Dinge. Mit der Idee, Uhrmacherin zu werden, besuchte sie einen Informationstag bei IWC in Schaffhausen. „Als ich den Arbeitsbereich des Handgraveurs sah, war es um mich geschehen“, sagt die Nordostschweizerin, die im Kanton Schaffhausen aufgewachsen ist. „Noch nie zuvor hatte ich von diesem Beruf etwas gehört.“ 1999 hat sie eine klassische Lehre zur Handgraveurin bei Furrer-Jacot begonnen. Erst als sie am ersten Schultag als einzige ihres Jahrgangs im Schulzimmer in Zürich sass, realisierte die junge Frau, dass sie einen seltenen Beruf erlernen wird.

Langjährige Erfahrung

Das war vor 21 Jahren. Nach der Lehre absolvierte Grüninger eine Ausbildung zur Goldschmiedin. Die anschliessenden zwei Praxisjahre in diesem Beruf gaben ihr die nötigen Erfahrungen, um sich noch besser in die Kundschaft einfühlen zu können. „Diese Zeit war sehr hilfreich“, erinnert sie sich. „Gravuren, die im Auftrag gefertigt werden, haben etwas Kunstvolles und doch sind sie im Grunde reines Handwerk.“ Es sei eine spannende Herausforderung, diese beiden Aspekte zu vereinen, um damit den Ideen des Goldschmieds und des Kunden gerecht zu werden. Nach weiteren sieben Jahren als angestellte Graveurin wagte sie 2015 den Schritt in die Selbstständigkeit. Technisch gut gerüstet und reich an Routine eröffnete sie in Winterthur ihre eigene Werkstatt.

Auch in den eigenen vier Wänden hat sich bestätigt, dass die wahre Qualität oft in den kleinen, schwer zu definierenden Details liegt. „Es braucht eine Dreidimensionalität, die aus einer sicheren Linie, einem dynamischen Glanzschnitt und ausgewogenen Proportionen wachsen muss“, so Nicole Grüninger. Dies verlange von ihr immer wieder höchste Konzentration. Manchmal, wenn sie vor einem heiklen Stich die Luft anhalte, müsse sie über sich selbst schmunzeln. Viele Aufträge fertigt sie in mehreren Etappen, damit sie die Arbeiten immer wieder mit frischem Blick neu beurteilen kann. Auch nach jahrelanger Berufserfahrung gehöre es zum Alltag, dass sie mit ganz neuen Situationen konfrontiert werde. So sieht sie den fachlichen Austausch mit der Kundschaft als tägliche Chance, sich im Perspektivenwechsel zu perfektionieren. Sich selbst zu fordern und zu fördern sichere ihr eine positiv kritische Haltung, um gemeinsam mit den Auftraggebern das Beste für die Konsumenten herauszuholen.

Augenmass und Werkzeuge

Immer wieder hört man in der Branche, dass gute Handgraveure schwierig zu finden seien. Auch Grüninger wird oft darauf angesprochen. Sie führt dies einerseits auf die wenigen Ausbildungsplätze zurück und andererseits darauf, dass Gravuren auf höchstem Niveau immer mit gutem Augenmass, viel Sitzleder und der innovativen Weiterentwicklung zu tun haben. Diese Überzeugung bringt die Graveurin weiter. „Zwischen Tradition und eigenen handwerklichen Möglichkeiten müssen immer wieder Brücken geschlagen werden“, sagt sie. „Dazu braucht es eine gewisse Neugier.“

Nach dem schönsten Auftrag gefragt, sagt Grüninger verschmitzt: „de Ruedi-Ring.“ Nach vierzig Jahren als Goldschmied, hat ein geschätzter Kollege zum ersten Mal einen Ring für sich selbst geschmiedet. Mit viel gestalterischer Freiheit durfte sie das Relief rundherum ausgravieren. Dieses Schmuckstück liegt ihr besonders am Herzen.

Christoph Brack