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„Jetzt bloss keine künstlichen Hürden aufbauen“

Christoph Keilmann ist der Organisator der Munich Show – Mineralientage München, unter deren Dach auch die Gemworld Munich stattfindet. Im Interview spricht er über seine Veranstaltung in Zeiten des Coronavirus und die Erwartungen für Messen allgemein.

Gold’Or: Christoph Keilmann, die Munich Show, zu der auch die Gemworld Munich gehört, findet jeweils am letzten Oktoberwochenende statt. Auch 2020?

Christoph Keilmann: Wir gehen fest davon aus, dass die Gemworld Munich zum geplanten Termin vom 30. Oktober bis 01. November stattfindet. Unsere Planungen dazu laufen – auch in enger Abstimmung mit unseren Ausstellern und der Messe München, die sich ihrerseits bei der Politik stark für eine Wiederaufnahme des Messebetriebs einsetzt. Hier sind entsprechende Hygienekonzepte für das Gelände erarbeitet worden und auch wir machen unsere Hausaufgaben, sodass alle Voraussetzungen für eine Durchführung erfüllt sein werden.

Es könnte Ihnen helfen, dass Messen in Deutschland nicht pauschal zu den Grossveranstaltungen zählen.

Das ist richtig. Es gab viele Schreiben von grossen Organisationen, darunter das Institut der Deutschen Messewirtschaft AUMA, die sich dafür eingesetzt haben, dass Messen anders bewertet werden als Freizeitveranstaltungen wie beispielsweise das Oktoberfest. Die Politik hat entsprechend reagiert und dieser Differenzierung am 6. Mai zugestimmt. Über die genaue Umsetzung entscheiden nun die Bundesländer. Erste Durchführungsgenehmigungen gibt es bereits für Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen und wir sind auch für Bayern zuversichtlich. Immerhin hat die bayerische Regierung bislang sehr umsichtig auf die Situation reagiert und ihre Entscheidungen haben sich als erfolgreich erwiesen.

Wie ist die Resonanz der Aussteller?

Wir haben bereits sehr früh im März alle Aussteller über unsere Planungen informiert und stehen weiter in Kontakt. Diese proaktive und offene Kommunikation zahlt sich jetzt aus. Der Buchungsstand war im Februar bereits hoch und es ist trotz der Krise bislang nur eine einzige Absage erfolgt, obwohl wir allen Ausstellern aufgrund der Situation die Möglichkeit eingeräumt haben, bis Ende Juni kostenfrei zu stornieren. Im Gegenteil, wir stellen in unseren Gesprächen ein grosses Interesse der Aussteller fest, ihre Sortimente dem Markt zu präsentieren, nachdem das Frühjahrsgeschäft nahezu komplett weggefallen ist. Was uns dagegen mehr Sorge bereitet, ist die Unsicherheit der aussereuropäischen Aussteller, angesichts der Reiserestriktionen teilnehmen zu können. Wir wissen, dass sie gerne kommen möchten und planen sie aktuell auch mit ein – immerhin sind es ja noch knapp fünf Monate bis zur Messe.

Könnten Sie die Messe im Notfall später stattfinden lassen?

Für uns stand am Anfang der Überlegungen schnell fest, dass eine Verlegung der Messe niemandem hilft und darum nicht in Frage kommt. Eine Verschiebung bedeutet in unserem eng getakteten Branchenkalender unweigerlich Terminkollisionen mit anderen Plattformen und damit Entscheidungskonflikte, Mehrkosten und Unwägbarkeiten für Besucher wie Aussteller, die gerade jetzt völlig kontraproduktiv sind. Wir müssen flexibel bleiben, aber wir sollten jetzt keine Experimente machen. Flexibilität bedeutet in diesem Fall, unser Messekonzept an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen und als Veranstalter sowie als Aussteller kurzfristiger als gewohnt und mit guten Ideen zu reagieren. Sollten die Behörden letztlich ein Verbot anordnen, dann ist das so.

Wie gehen Sie in den Planungen weiter vor?

Zunächst haben wir den Anmeldeschluss für die Gesamtveranstaltung bis zum 30. Juni verlängert. Das gibt uns und unseren Ausstellern die Möglichkeit, die Situation besser abzuschätzen und neue politische Vorgaben bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Parallel dazu arbeiten wir an einem Hallenplan, der die Rahmenbedingungen wie etwa die Abstandsregeln berücksichtigt. Dabei können wir weitgehend an der bestehenden Struktur festhalten, da wir nie so eng gebaut haben, wie manch andere Veranstalter. Unsere Gänge erfüllen mit fast dreieinhalb Metern bereits die aktuellen behördlichen Vorgaben. Darüber hinaus werden wir, wie jede andere Messe auch, Laufwege und eine Besucherregistrierung einführen müssen, um gegebenenfalls Infektionsketten nachvollziehen und die maximale Besucherdichte einhalten zu können. Unser Fokus liegt darauf, eine Messedurchführung zu ermöglichen und dem Markt eine Handelsplattform zur Verfügung zu stellen. Die Organisation des gewohnten Rahmenprogramms mit Sonderschauen, Vorträgen und anderen Services steht dahinter zurück und kann erst kurzfristig erfolgen, wenn die grundsätzlichen Bedingungen erfüllt sind.

Ist eine behördlich vorgeschriebene Besucherregistrierung für Sie nicht auch positiv?

Wir haben nie eine exzessive Datensammlung für Marketingzwecke betrieben und das ist auch jetzt nicht angebracht. Ich garantiere unseren Besuchern, dass die Registrierung im Rahmen des Hygienekonzepts erfolgt und auch darauf begrenzt bleibt, es sei denn, sie wünschen es anders. Viele Juweliere besuchen die Gemworld Munich üblicherweise an ihrem freien Sonntag mit einem normalen Kassenticket, ohne sich zu registrieren. Auch ich persönlich empfinde es als Freiheit, Veranstaltungen ohne Registrierungspflicht besuchen zu können. Darum möchte ich nach der Ausnahme in diesem Jahr zukünftig nach Möglichkeit wieder von diesem Zwang absehen.

„Auch ich persönlich empfinde es als Freiheit, Veranstaltungen ohne Registrierungspflicht besuchen zu können.“

Die Einführung der Einlasskontrolle wäre doch eine gute Gelegenheit, die Gemworld Munich als reine Fachmesse zu organisieren.

Das Konzept der Fachmesse scheitert in unserer Branche regelmässig an der Abgrenzung in der Praxis. Die Kunden unserer Aussteller – insbesondere im Edelsteinbereich – sind extrem vielfältig, vom hochwertigen Sammler über den klassischen Fachhandel bis zum fachfremden Concept Store und anderen Wiederverkäufern und Verarbeitern. Gerade in der jetzigen Zeit müssen wir den Handel auf der Messe möglichst breit zulassen und bloss keine künstlichen Hürden aufbauen. Darum gilt: Wer mit einem Kaufinteresse die Gemworld Munich besuchen möchte, muss auch reinkommen. Deshalb nenne ich es lieber Registriermesse als Fachmesse.

Mit welchen Besuchern rechnen Sie im Oktober in München?

Nach heutigem Stand wird Reisen innerhalb Europas sehr wahrscheinlich möglich sein, weswegen wir fest mit europäischen Besuchern rechnen. Darüber hinaus bleibt abzuwarten, wie die Einreisebedingungen von ausserhalb des Schengenraumes sein werden. Wir können ausserdem vom erfolgreichen Umgang der Bundesregierung mit Corona profitieren, da internationale Besucher ein gutes Gefühl haben dürfen, wenn Sie nach Deutschland reisen. Hinzu kommt, dass München zentral liegt und auch ohne Flugzeug innerhalb weniger Stunden aus Italien, Österreich und der Schweiz beispielsweise zu erreichen ist.

Gibt es viele Besucher aus der Schweiz auf der Gemworld Munich?

Der Anteil Schweizer Besucher hat sich in den vergangenen Jahren konstant nach oben entwickelt und 2019 nochmal einen signifikanten Anstieg verzeichnet. Einerseits profitieren wir von der zunehmenden internationalen Bekanntheit der Gemworld als Edelstein- und Schmuck-Plattform, andererseits konnten wir auch die Qualität und das Angebot in München kontinuierlich steigern. Ich glaube aber auch, dass die Schweizer flexibel und pragmatisch sind, was die Handelsstrukturen anbelangt. Sie sind offen für neue Konzepte und stören sich nicht daran, dass wir auf der Munich Show auch das breite Publikum ansprechen und beispielsweise mit Sonderschauen und anderen Angeboten Endverbraucher und den Nachwuchs für unser Thema begeistern wollen. Genau diese „Soft Facts“ tragen stark zur besonderen Atmosphäre unsere Messe bei. Wir müssen nicht den Juwelier von Gold überzeugen, sondern den Kunden.

Welchen Bezug haben Sie persönlich zu Mineralien und Edelsteinen?

Die Mineralientage München, die es seit 57 Jahren gibt, habe ich von meinem Vater übernommen. Ich bin also mehr oder weniger mit Mineralien und Edelsteinen gross geworden. Ich sammle selber zwar nicht, aber bin jedes Mal wieder von der Ästhetik und Vielfalt fasziniert, wenn wir auf der Suche nach Objekten für die Sonderschauen in die Schatzkammern der Sammler und Museen eintauchen dürfen. Ausserdem verbindet mich eine teilweise jahrzehntelange Beziehung zu vielen Ausstellern. Als Familienbetrieb ist es für uns existenziell, die Branche aber auch die individuellen Herausforderungen für jeden Aussteller zu kennen und zu berücksichtigen.

www.gemworldmunich.com

Bild: Christoph Kellmann

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