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Von Indien fasziniert

Steinhändler René Lips aus St. Gallen reist regelmässig nach Indien – und das seit Jahren. Er konnte beobachten, wie neben der immer noch weit verbreiteten Armut eine Mittelschicht entstanden ist und wie sich der Subkontinent mit 1,3 Milliarden Menschen zu einer Weltwirtschaftsmacht gemausert hat. Auch im Reich der Edelsteine hat eine Wandlung stattgefunden.

So wie Indien heute eine Weltwirtschaftsmacht ist, so ist es mit den Edelsteinen dieses Landes. In alten Zeiten war Indien für die Funde seltener Steine hoch gelobt worden. Heute denkt der Europäer: „Indien hat keine hochwertigen Edelsteine, die Verarbeitung ist schlecht und die Schliffe sind veraltet.“ Tatsächlich bieten indische Steinhändler an den Messen meist nicht die gewünschte Qualität an und die Auswahl ist eintönig, wodurch der Ruf der Zweitklassigkeit zementiert wird.

Wer jedoch selbst nach Indien reist, wird schnell eines Besseren belehrt. Im südlich gelegenen Zwergstaat Orissa beispielsweise sind die Vorkommen gigantisch und die Qualität der Steine lässt keine Wünsche offen. Ich durfte dort ein äusserst rares, transparentes, 21,25 Carat grosses Alexandrit-Katzenauge mit wunderschönem Farbwechsel an einen Kunden vermitteln. In den 90er Jahren konnte man feinste transparente Sternrubine aus Orissa kaufen. Heute können solche Raritäten auf dem Weltmarkt pro Carat 20’000 Dollar und mehr bringen.

Idar-Oberstein von Indien

Jaipur, Hauptstadt von Rajastahn in Nordindien. Beim ersten Besuch der Pink City in den frühen 80er Jahren, hatte die Stadt 800’000 Einwohner, 2001 bereits 2,2 Millionen und heute sind es mehr als vier Millionen Menschen. Waren früher Fussgänger und Fahrräder in der Mehrzahl, sind es heute schwere Motorräder und Autos.

Jaipur ist das Idar-Oberstein von Indien. Aus ganz Vorderasien bringen die Minenbesitzer ihre Rohware, um sie auf dem Markt anzubieten. In der Nähe von Ajmer (120 km von Jaipur) besteht bis heute eine Mine, die dunkle, transparente Smaragde hervorbringt. Eine mineralogische Rarität (im ehemaligen Besitz von Rae Bhadur Sir Bha Bar Gandi Soni), eine 22,08 Kilogramm schwere Smaragd-Stufe, konnte anlässlich einer Ausstellung vor sechs Jahren in St. Gallen gezeigt werden.

Vielfalt an Sternsteinen

Sternsteine aller Art sind eine absolute Spezialität Indiens. Neben den bekannten Sternkorunden gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Steinen mit Asterismus, welche aus indischen Minen kommen. Zu diesen gehören Sterndiopside, Sterngranate, Sternmondsteine, Sternsonnensteine, Sternlabradorite, Sterniolithe und Sternquarze. Einer der schönsten Sternrubine mit 23,56 Carat kommt aus Indien (Asterism, M.P. Steinbach).

Zusammen mit meinem Vater schenkte ich der Mutter vor einigen Jahren einen Anhänger aus einem in Gold gefassten, 181 Carat grossen Sternrubin aus Andra Pradesh. Der Edelstein mit seiner tief bordeauxroten Farbe ist so einmalig schön, dass ich ihn für jede Sonderschau ausleihe und ausstelle, obwohl ich einige spezielle Sternrubine besitze.

Myanmar, Sri Lanka, Thailand und Kaschmir (Indien) haben weltweit den besten Ruf für edle Korunde. Indien hat ausgefallene und einmalige Rubine und wird durch die angebotene Massenware schwer unterschätzt. Indien ist kein Paradies, sondern ein Moloch. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb übt das Land eine unglaubliche Faszination aus. Edelsteine aus Indien haben eine eigene Anziehungskraft und bedeuten mehr als nur Wert und Geld. Auch ein Sternkorund von einfachster Qualität hat seine Wirkung und strahlt Freude und Einmaligkeit aus.

René Lips-Fromm

 

Info
www.lipsevents.ch

 

Der gelbe Saphir
Drei Jahre habe ich den 32,85 Carat grossen, gelben Saphir mit typischem Ceylon-Schliff in Panadura, an der Westküste von Sri Lanka, bewundert. Dann musste ich diesen Stein einfach kaufen – für etwas mehr als 10’000 US-Dollar. In der Schweiz zeigte niemand Interesse an diesem edlen Stein. Saphire haben gefälligst blau zu sein. In der ersten Generation Edelsteinhandel hat man nicht die Kapazität, solch rare Steine einfach ins Lager zu legen. Schliesslich können die Kinder abends nicht von einem „Korund-Süppli“ leben. So sah ich mich gezwungen, diesen ach so wunderbaren, gelben Saphir auf eine Reise nach Indien mitzunehmen. Gelbe Saphire sind dort aus spirituellen Gründen sehr begehrt und so wechselte der Stein innert Stunden den Besitzer; mit einem minimalen Gewinn. Jahre später besuchte ich die Messe „The Source“ in Tel Aviv und begegnete dem unverwechselbaren, gelben Saphir hinter einer Vitrine wieder: zu einem Preis, von dem ich nur träumen konnte, nämlich 20’000 US-Dollar – pro Carat.