Auf einer Reise nach Brasilien kaufte sich Yvonne Schediwy Anfang Jahr einfache Ohrhänger aus Fischbein. Die Freude daran war so gross, dass diese sie zu weiteren Varianten inspirierten. Zurück im Thuner Atelier setzte sie das Projekt um und kreierte ihr Lieblingsschmuckstück.
Yvonne Schediwy betreibt seit 2002 in der Thuner Altstadt „Die Silberschmiede“. Vor 17 Jahren ist Tochter Sara Lehmann eingestiegen, sodass es sich heute um ein Mutter-Tochter-Unternehmen handelt. Die beiden Frauen hatten schon immer eine enge Beziehung, wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb, weil sie einiges miteinander erlebt haben.

Im Alter von 21 Jahren wollte Yvonne Schediwy die Welt erkunden und reiste für ein paar Wochen nach Südamerika. In einem kleinen brasilianischen Dorf am Südatlantik, in Arraial d’Ajuda bei Porto Seguro, hat sich die junge Frau verliebt und ist hängengeblieben. Als ihre Ersparnisse aufgebraucht waren, hielt sie sich mit selbst kreiertem Schmuck über Wasser. Sie hatte nämlich gelernt, wie die Indios Schmuck aus Leder, Knochen, Korallen, Bambus und Kokosnüssen fertigten. Dank handwerklichem Geschick und ihrer Kreativität konnte sie ihre Stücke bald erfolgreich verkaufen. So sind aus den Plänen von „ein paar Wochen Brasilien“ schliesslich drei Jahre geworden, bis sie mit Töchterchen Sara und ihrem Liebsten in die Schweiz zurückkehrte.

Immer barfuss
„Diese Jahre haben mich geprägt. Das einfache Leben am Strand, die Sonne, das Meer, immer barfuss, umgeben von herzlichen Menschen, die beim Sprechen eher singen als reden, möchte ich nicht missen“, sagt die heute 58-Jährige. Da sie sich auf dieser Reise verschiedene Techniken des Silberschmiedens aneignen konnte, und die Arbeit für sie mit grosser Leidenschaft verbunden war, eröffnete sie zurück in Thun eine Silberschmiede. Inzwischen sind mehr als drei Jahrzehnte vergangen, Yvonne Schediwy ist immer noch dort und widmet sich nach wie vor mit Herzblut den Schmuckstücken.
Im vergangenen Februar kehrte sie nach Arraial d’Ajuda zurück. Sie wollte ihrer Tochter zeigen, wo diese 35 Jahre zuvor das Licht der Welt erblickt hatte. Am Strand trafen sie einen Hippie, dem Yvonne Schediwy Ohrhänger abkaufte. „Dieser junge Mann und die ganze Situation hat in mir alte Zeiten aufleben lassen“, sagt sie. „Eigentlich wollte ich ihm einfach etwas abkaufen. Doch als ich diese schmucken Stücke an meine Ohren hängte, wusste ich, dass ich sie in Silber fertigen möchte.“

Den Kunden aufgefallen
Wieder zurück in der Heimat, machte sie sich hinter dieses Projekt. Inzwischen hat sie ihre Lieblingsohrhänger aus Silber geschmiedet und mit Perlen, Aquamarin und Saphiren verziert. Das Modell, das sie für sich selbst gefertigt hat, ist den Kundinnen aufgefallen. „Eine hat gefragt, ob ich diese auch in Gold herstellen würde“, erzählt Yvonne Schediwy. So ist die dritte Variante des Ohrschmucks entstanden, diesmal in Roségold 750 mit Moissanit, Zirkon und Rauchquarz.
„Durch diese Geschichte bin ich wieder mal zur Erkenntnis gelangt, dass man auch aus einfachen Dingen schöpfen, und etwas Wunderbares entstehen lassen kann. Auch wenn es sich nicht um teure Materialien handelt, kann ein Schmuckstück für die Trägerin das wertvollste der Welt sein. Es kommt wohl vor allem darauf an, ob damit Emotionen verbunden sind“, so die Berner Oberländerin. Schön und wertvoll sei schliesslich immer das, was gefalle.
Daniela Bellandi