Share

Zeit für alle

„Die Uhrzeit für alle, eine Uhr für jeden“ lautet der wie ein Slogan anmutende Titel der neuen Wechselausstellung des Musée international d’horlogerie in La Chaux-de-Fonds (MIH). Eröffnet wird die der Uhrenwerbung des 20. Jahrhunderts gewidmete Ausstellung diesen Samstag um 17 Uhr, umrahmt von einer Performance des Künstlers Mandril. Die Ausstellung dauert bis zum 13. Oktober 2019.

 

100 Jahre Uhrenwerbung

Die Uhrenindustrie muss sich auf einem immer stärker umworbenen internationalen Markt behaupten. Sie bewirbt ihre Produkte mit Plakaten und Inseraten, deren Gestaltungen oft Konformismus ausstrahlen, sich aber manchmal auch an Originalität überbieten.

 

Die Ausstellung führt durch Plakate und Inserate, die das Rückgrat der Kommunikation der Uhrenmarken im 20. Jahrhundert bildeten, und veranschaulicht auf originelle Art und Weise die wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Aspekte der Uhrmacherei von der Erfindung der Armbanduhr bis zur Revolution der Quarzuhr.

 

Aus dem Blickwinkel der Konsumenten

Angesichts der vielen nach wie vor existierenden Uhrenmarken warten die Projektträger, das heisst das MIH und das Historische Institut der Universität Neuenburg, einen völlig unabhängigen Blick für diese Ausstellung, die auf dem Studium von über 2500 Bilddokumenten beruht. Anhand von sechs Begriffspaaren taucht der Besucher in die vom Übergang der Uhrzeit für alle zur Uhr für jeden geprägten Werbesujets und -praktiken ein:

a) Zeit und Astronomie

Die Uhr ist ein fassbares Konsumgut, aber die Zeit, die sie misst, ist weder sichtbar noch greifbar. Für ihre bildliche Darstellung wenden die Illustratoren verschiedene Tricks an. Sie nehmen Themen mit Bezug auf die Sterne und Natur auf, deren Beobachtung für lange Zeit die einzige Möglichkeit der Menschen war, um sich die verstreichende Zeit bewusst zu machen.

b) Präzision und Zuverlässigkeit

Die Präzision ist der Garant für eine Qualitätsuhr und somit ein unverzichtbares Verkaufsargument der Uhrenmarken. Zahlreiche Texte und Slogans beziehen sich auf die Präzision, aber kein Bild vermag sie konkret darzustellen. Ab den 1950er-Jahren bietet die Fotografie zusätzliche Möglichkeiten, um realistische Bilder zu produzieren. Die Darstellung der Präzision verschiebt sich in den Alltag, in dem Pünktlichkeit immer mehr als grundlegende Voraussetzung für den Erfolg im privaten und beruflichen Leben gilt.

c) Technik und Funktionen

Die technischen Entwicklungen der Armbanduhr werden in der Werbung stark thematisiert: Wasserdichtheit, Stossfestigkeit, Unempfindlichkeit gegenüber Magnetfeldern und Automatikaufzug. Diese technischen Veränderungen gingen mit einer völlig neuen Nutzung der Uhr einher, die den Bezug des Individuums zum Objekt drastisch veränderte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Uhr zur Schöpferin und Begleiterin neuer Lebensstile geworden. Die Zeit kommt immer kompakter und individueller zum Ausdruck. Es geht nicht mehr darum, die Uhrzeit für alle, sondern eine Uhr für jeden zu verkaufen.

d) Sport und Leistung

Der Leistungssport vermittelt Werte, mit denen die Marken ihre Produkte gern verbinden: Dynamik, Disziplin und Ausdauer. Zudem stützen sich die Marken auf Persönlichkeiten, die Selbstübertreffung und Glanzleistung verkörpern, und bieten den Konsumenten damit das Spiegelbild einer idealisierten Welt. In der Kriegszeit nimmt der Soldat als Heldengestalt den Platz des friedliebenden Sportlers ein.

e) Individuum und Gesellschaft

In der Werbung wird die Uhr zum Statussymbol. Die Menschen werden in ihren Tätigkeiten und Beziehungen zueinander mit stereotypischen Objekten, Kleidern und Accessoires assoziiert. Die in der Werbung bis in die späten 1960er-Jahren eingesetzten Bilder betonen die Gegenüberstellung der Schmuckuhr für Damen und der technischen Uhr für Herren.

f) Produktion und Vertrieb

Im späten 19. Jahrhundert haben die Uhrenmarken erkannt, dass sie ihr eigenes Image vermarkten können. Sie zelebrieren die herrliche Architektur ihrer Manufaktur, die dem Publikum als Garantie für industrielle Macht und guten Ruf dient. Es sind Bilder zu sehen, die eine einheimische Produktion, symbolisiert durch Bilder mit Bezug zur Schweiz, einer weltweiten Vertriebsstruktur der Produkte gegenüberstellen.

Aquastar 1966, collection MIH Bulova 1974, collection MIH Cyma 1928, collection MIH Damas 1950, collection MIH Doxa 1961, collection MIH Eberhard _ Co 1920, collection MIH Herodia 1958, collection MIH Incabloc 1940, collection MIH Just 1912, collection MIH Moeris 1948, collection MIH Mollar 1940, collection MIH Omega 1929, collection MIH Oris 1942, collection MIH Oris Watch 1927, collection MIH Reconvilier 1913, collection MIH Seiko 1973, collection MIH Seliva 1948, collection MIH Watchmakers of Switzerland vers 1950, collection MIH Wittnauer 1975, collection MIH Zenith 1954, collection MIH
<
>
Watchmakers of Switzerland 1950.

230 Originaldokumente

Mit über 230 präsentierten Originaldokumenten in der Form von Plakaten, Inseraten und Skizzen sowie Kino- und TV-Werbespots aus den Sammlungen des MIH, anderer Institutionen sowie privater Sammlungen versteht sich die Ausstellung auch als Überblick über die Geschichte der Werbung, der Grafik und der Konsumgesellschaft.

 

Publikation

Die Publikation zur Ausstellung versteht sich als Ergänzung. Der reich mit Farbbildern illustrierte Ausstellungsband mit 268 Seiten ist von Editions Alphil-Presses universitaires suisses in einer Auflage von 1000 Exemplaren in Französisch herausgegeben. Das Werk, das auf der Zusammenarbeit von rund fünfzehn in den Bereichen Uhrmacherei, Werbung, Konsumverhalten, Plakaten und Fotografie spezialisierten Autoren aus der Schweiz und aus dem Ausland beruht, unterstreicht die Aussagen der Ausstellung und gibt einen vertieften Einblick ins Thema.

 

Kostenlose Führungen

Führungen durch die Ausstellung können jederzeit gebucht werden. Im Rahmen der vom MIH über Mittag (Sur le coup de midi) organisierten Rundgänge werden am Mittwoch, 3. Juli und Mittwoch, 4. September 2019 um 12.15 Uhr kostenlose Führungen angeboten.

 

Werbeplakat selbst kreieren ‒ ein Kinderspiel?

Während der gesamten Dauer der Ausstellung steht Gross und Klein am Ende des Rundgangs ein Workshop für die Realisierung von Werbeplakaten offen. Die Besucher können ihre eigene Überzeugungs- und Verführungskraft walten lassen und ihr eigenes Plakat mithilfe von in der Ausstellung angetroffenen Elementen zusammenstellen. Anschliessend kann es auf die Facebook- und Instagram-Plattformen des MIH gestellt werden, um dessen Wirkung bei potenziellen Konsumenten zu testen. #museeinternationaldhorlogerie, @musee_mih

 

Partner

Université de Neuchâtel, Loterie romande, Rolex, Fondation Philanthropique Famille Sandoz, Union des fabricants d’horlogerie de Genève, Vaud et Valais (UFGVV), Association patronale des industriels de l’Arc horloger (APIAH), TSM Assurances, Laboratoire Dubois.

 

Daten

Exposition L’heure pour tous, une montre pour chacun

Musée international d’horlogerie, La Chaux-de-Fonds

16.6.-13.10. 2019 / Geöffnet von jeweils Dienstag bis Sonntag, von 10 bis 17 Uhr

 

Die Ausstellung ist durchgehend dreisprachig (Französisch, Deutsch, Englisch).

Verwandte Themen

Trade
 

Maurice Lacroix eröffnet Pop-up-Store in Bern

Die Uhrenmarke Maurice Lacroix hat Anfang Dezember in Zusammenarbeit mit Uhrsachen am Theaterplatz 1 in Bern einen Pop-up-Store eröffnet.

mehr
Focus

In anderen Sphären

Morgan Stanleys Zahlen zur Schweizer Uhrenindustrie zwischen 2017 und 2022 im Vergleich.

mehr
Cover Story

„Innovation und Handwerkskunst“

Romano Prader, Inhaber der Labhart Chronometrie & Goldschmiede AG in St. Gallen, über seine Erfahrungen als Garmin-Konzessionär

mehr