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Pflege von Tradition und Zukunft

Die Uhrmacherschule in Le Locle, heute ein Teilbereich des Berufsbildungszentrums Neuenburg (CPNE), hat eine lange Tradition, die ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die erste Uhrmacherschule in Le Locle wurde 1868 auf Initiative von Henry Grandjean gegründet.

Die Tradition der Uhrmacherausbildung in Le Locle geht zurück auf das Jahr 1868, wo im ehemaligen Postgebäude, an der heutigen Rue Marie-Anne-Calame gelegen, eine erste offizielle Uhrmacherschule eröffnet wurde. Über 100 Jahre war die Uhrmacherausbildung im Kanton Neuenburg auf verschiedene Standorte verteilt (v.a. La Chaux-de-Fonds und Le Locle). Eine Harmonisierung auf kantonaler Ebene erfolgte 1933 durch die Fusion der Technicums von La Chaux-de-Fonds und Le Locle zum Technicum Neuenburg. Mitte der 1990er Jahre kam es seitens der Behörden der beiden Gemeinden zu einer Reorganisierung der Ausbildung und zur Gründung des CIFOM (Centre interrégional de formation des montagnes neuchâteloises). Die Uhrmacherausbildung wurde auf den Standort in Le Locle konzentriert. 1997 wurde das Gebäude der Technischen Schule des CIFOM in Le Locle, das Klaus 1 eingeweiht, wo sich die Uhrmacherausbildung bis 2012 befand und seit Oktober 2023 – nach einem zehnjährigen „Exil“ in der Ingenieurschule gegenüber – wieder befindet. 2022 fusionierten die regionalen Berufsausbildungszentren des Kantons Neuenburg, darunter das CIFOM, zum Centre de formation professionelle neuchâtelois (CPNE). Zu diesem zählen heute acht verschiedene Berufsabteilungen, sogenannte Pôle.

Zum Pôle Technologie und Industrie (TI) gehören neben der Uhrmacherei 22 Berufe. Am Standort Klaus in Le Locle sind dies: Automatiker/in EFZ, Automobil-Assistent/in EBA, Automobil-Mechatroniker/in EFZ, Automobil-Fachmann/-frau EFZ, Baumaschinenmechaniker/in EFZ Carrosseriespengler/in EFZ, ICT-Fachmann/-frau EFZ, Informatiker/in EFZ, Konstrukteur/in EFZ, Landmaschinenmechaniker/in EFZ, Motorgerätemechaniker EFZ, Oberflächenbeschichter/in EFZ, Polymechaniker/in EFZ und Produktionsmechaniker/in EFZ. Zur Uhrenbranche gehören Mikrotechnik und Uhrmacherei, mit den Berufen Uhrmacher/in EFZ (Vollzeit und dual), Uhrmacher/in Produktion EFZ (3 Jahre, dual), Uhrenarbeiter/in EBA (2 Jahre dual), Mikromechaniker/in EFZ (Vollzeit und dual), Mikrozeichner/in EFZ (dual), Qualitätsfachfrau/-mann Mikrotechnik EFZ (dual) sowie im Rahmen der Höheren Fachschule (HF) die zweijährige Vollzeit-Ausbildung zum Techniker Mikrotechnik mit Spezialisierung im Bereich Konzeption/Industrialisierung (auch berufsbegleitend), Uhrenkonstruktion oder Restaurierung und Uhrenkomplikationen. Bei den Uhrmacherberufen sind derzeit 116 Lernende in Vollzeit oder dual in Le Locle in Ausbildung. Die Vollzeit-Ausbildung zum Techniker Mikrotechnik HF absolvieren derzeit in den drei Schwerpunktrichtungen insgesamt 59 Studenten, 45 von ihnen berufsbegleitend.

Die Spezialisierung im Bereich Restaurierung und Uhrenkomplikation findet sich in dieser Form ausschliesslich in Le Locle und ist nicht nur schweiz- sondern weltweit einmalig, betont Christophe von Känel, der für den Sektor der Uhrmacherei am CPNE zuständig ist. Für diesen zweijährigen Lehrgang, der vor 1997 am Musée International d’Horlogerie in La Chaux-de-Fonds angesiedelt war, stehen pro Jahr sechs Vollzeit-Ausbildungsplätze zur Verfügung. Normalerweise bewerben sich etwa 15 bis 20 Personen um einen Platz. Voraussetzung ist eine abgeschlossene Ausbildung als Uhrmacher/in EFZ sowie das Bestehen einer zweitägigen praktischen Prüfung, für die beispielsweise auch praktische Kenntnisse im Bereich Pivotage vorausgesetzt werden. Am Ende der Ausbildung folgt eine sechswöchige praktische Diplomarbeit, bei der ein historisches Stück, häufig aus einem Museum der Region, analysiert und restauriert werden muss.

Patrick Duvanel, der seit 2019 Direktor des Pôle Technologies et Industries des CPNE ist, erwähnt, dass aktuell von der Industrie vermehrt Uhrmacher Produktion und Uhrenarbeiter gesucht werden. Sollte diese Tendenz in den nächsten Jahren aufgrund des Produktionsbedarfs seitens der Industrie anhalten, könne es in Zukunft schwierig werden, dem Bedarf an ausgebildeten Uhrmachern EFZ im Bereich des Service-après-vente sowie der Höheren Fachschulen und Fachhochschulen weiterhin gerecht zu werden, so Duvanel. Dazu komme, dass gerade der Bereich Reparatur und Restaurierung in Zukunft auch aus Sicht der Endkunden enorm an Bedeutung gewinnen dürfte.

 

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Sylvain Varone, er ist zusammen mit Pascal Landwerlin Ausbildner im Rahmen des zweijährigen HF-Lehrgangs „Technicien-ne en microtechnique“ Fachrichtung „Restauration & Complication“, der am CPNE in Le Locle als Besonderheit angeboten wird.

Weitere Spezialitäten der Schule

Die Schule in Le Locle bietet im Uhrmacherbereich zudem in der beruflichen Weiterbildung verschiedene Module an, die zusammengesetzt einer Lehre zum Uhrenarbeiter EBA oder zum Uhrmacher Produktion EFZ gleichkommen. Diese Ausbildung besteht aus insgesamt sechs Modulen (Basismodul, Posage/Emboîtage, Assemblage, Achevage-Réglage, Terminage sowie Allgemeinbildung). Aktuell absolvieren 59 Personen eine modulare Ausbildung. Nimmt man zudem die nur einen Steinwurf entfernte Ingenieur-Fachhochschule (Haute école Arc) hinzu, findet sich am Standort „Klaus“ in Le Locle das ganze Ausbildungsspektrum der Uhrmacherei, vom einzelnen Modul bis zum Ingenieur-Masterstudium.

Die Uhrmacherlernenden nehmen im Rahmen ihrer Ausbildung auch an Wettbewerben teil, darunter im dritten Lehrjahr am Concours de la Société Suisse de Chronométrie (SSC), in der eine den COSC-Normen entsprechenden Werkregulierung zu leisten ist, sowie ebenfalls für das dritte Lehrjahr am Concours Patek Philippe, bei dem ein Werk von Patek Philippe zu demontieren, montieren und regulieren ist. Für diesen Wettbewerb sind jeweils drei Lernende pro Schule zugelassen. 2023 hat ein Lernender aus Le Locle den ersten Preis erzielt.

Während der Ausbildung arbeiten die Lernenden zudem an einer eigenen Schuluhr, basierend auf einem ETA-Werk, das modifiziert wird mit einem „Coq Breguet“. Die Lernenden müssen entsprechend die Achsen erstellen sowie die Uhr regulieren, alle weiteren notwendigen Rhabillage-Schritte ausführen sowie das Uhrwerk dekorieren. Am Ende des vierten Lehrjahrs erhalten sie die von ihnen modifizierte und regulierte Uhr. Aktuell wird zudem ein zusätzliches Schuluhr-Projekt erarbeitet, so Christophe von Känel. Entwickelt wird hausintern ein Kaliber einer Pendulette d’officier. Ziel ist, dass künftig alle Mikromechaniker und Uhrmacher im Rahmen ihrer vierjährigen Ausbildung eine solche Pendulette realisieren. Die Mikromechaniker sind dabei für die Herstellung zuständig, die Uhrmacher primär für die Assemblage. Dieses Projekt wird ab 2024 in die Ausbildung integriert. Dass neu auch mit einer Pendulette als Schuluhr gearbeitet wird, biete den zusätzlichen Vorteil, so von Känel, dass die Lernenden viele Abläufe und Kräfteverhältnisse visueller und anschaulicher begreifen und mit Händen erfahren. Diese manuelle Erfahrung und das Fühlen der mechanischen Kräfte, so von Känel, sei auch heute durch keine Computersimulation zu ersetzen.

Marcel Weder

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