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„Wir müssen in allen Preissegmenten präsent sein“

Jean-Daniel Pasche ist seit 2002 Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie FH. Bei einem Gespräch während der diesjährigen Baselworld spricht er über aktuelle Marktentwicklungen in der Schweizer Uhrenbranche sowie über seine Eindrücke von der Basler Uhren- und Schmuckmesse.

Herr Pasche, seit Längerem ist bezüglich Stückzahl ein Rückgang der exportieren Schweizer Uhren zu beobachten.

Jean-Daniel Pasche: Es ist richtig, dass es diese Entwicklung gibt. Selbst bei elektronischen Uhren ist eine Erhöhung des durchschnittlichen Exportpreises sowie eine Verringerung der exportierten Uhren zu beobachten, auch wenn diese Entwicklung weniger ausgeprägt ist als bei den mechanischen Uhren. Bei den mechanischen Uhren gab es 2018 sogar eine Erhöhung, sowohl bezüglich Wert als auch bezüglich Stückzahl. Ebenso richtig ist, dass die Exportzahlen bei Uhren im Einstiegsbereich bis zu einem Exportwert von 200 Franken seit etwa zwei Jahren rückläufig sind.

Wie erklären Sie sich diesen Rückgang?

Es gibt viele Faktoren. Sicher ist, dass im Einstiegsbereich die Konkurrenz aus dem Ausland gross ist. Dazu gehört nicht zuletzt eine grosse Zahl an Trendmarken. Gleichzeitig ist auch die Konkurrenz anderer Produkte wie Lederwaren, Parfum oder Kleider in diesem Segment spürbar. Und natürlich spielt auch die Smartwatch eine Rolle. Erwähnenswert ist aber gleichzeitig, dass auch China als grösster Uhrenproduzent im Einstiegsbereich einen Rückgang bei den Stückzahlen verspürt. 2018 lag dieser zwischen sieben und acht Prozent.

Müsste die Schweiz bei Connected und Smartwatches nicht innovativer werden?

Dieser Markt wird aktuell vor allem von einem Akteur dominiert. Was den Rest betrifft, sind die Mengen überschaubar. Aber auch hier muss man den ganzen Weltmarkt miteinrechnen. Weltweit werden pro Jahr rund eine Milliarde traditioneller Uhren produziert, der Markt für Connected Watches umfasst dagegen rund 60 Millionen. Die traditionelle Uhr stellt also nach wie vor den Löwenanteil. Dazu kommt, dass eine Connected Watch in vielerlei Hinsicht gar nicht mehr zum Produktebereich „Uhr“ zu zählen ist. Die Benutzer stellen andere Erwartungen an das Produkt, dazu kommt häufig eine völlig andere Distributionspolitik.

Also sehen Sie keinen grossen Handlungsbedarf in diesem Bereich?

Natürlich wäre ich froh, wenn die Schweiz mehr Connected Watches herstellt, aber nicht auf Kosten der traditionellen Uhr.

Sehen Sie es als Aufgabe der FH, den Einstiegsbereich wieder stärker zu fördern?

Wir intervenieren nicht auf der Ebene des Produkts. Das ist Aufgabe der Hersteller und Marken. Aber natürlich beobachten wir die Märkte und unterstützen die Schweizer Uhrenbranche mit aktuellen Analysen. Selbstverständlich hoffe ich, dass alle Preissegmente positiv sind und es eine Umkehr des aktuellen Trends gibt. Denn Volumen sind wichtig, weil sie Aktivität, Dynamik und nicht zuletzt Arbeitsplätze bedeuten. Folglich bin ich überzeugt, dass die Schweizer Uhrenindustrie in allen Preisbereichen präsent sein muss.

Welche Eindrücke haben Sie von der diesjährigen Baselworld?

Es ist erfreulich, dass der Raum in der Halle 1.0 trotz allem gut genutzt werden konnte. Das war keine einfache Aufgabe. Was die Rückmeldungen der Aussteller betrifft, habe ich noch keinen umfassenden Überblick, von einigen habe ich aber positive Echos zur Zahl der Termine und Kundenbesuche.

Wie wichtig ist Basel in Ihren Augen für die Schweizer Uhrenindustrie?

Im Moment ist Basel immer noch die weltweit wichtigste Uhrenmesse, verglichen mit ähnlichen Messen in den USA oder China. Solange das Format Messe funktioniert, hoffe ich natürlich, dass die grösste ihrer Art in der Schweiz stattfindet, im Herzen der heimischen Uhrenindustrie. Aber es ist nicht an mir, dies zu entscheiden, sondern an den Ausstellern.

Inwieweit versuchen Sie zwischen Herstellern und der Messe zu vermitteln?

Das liegt nicht in unserem Aufgabenbereich. Die Gespräche finden ausschliesslich zwischen der Messeleitung und den Gruppen und Marken statt. Wenn die Mehrheit der Aussteller zum Schluss käme, dass es keinen Sinn mehr macht, auf einer Messe in Basel oder anderswo präsent zu sein, weil es nicht mehr ihrer Kommunikations- oder Präsentationsstrategie entspricht, wäre dies zur Kenntnis zu nehmen. Die Hersteller müssen entscheiden, was für sie oder für die Branche am meisten Sinn macht.

Welches sind Ihre Hauptaktivitäten während der Baselworld?

In Basel treffe ich viele Pressevertreter, vor allem aus dem Ausland, die Fragen zur aktuellen Situation der Schweizer Uhrenindustrie haben. Zudem habe ich viele Termine mit den Verbänden anderer Länder, etwa Japan, Indien, China, Hongkong, Frankreich oder Deutschland und tausche mich mit Ihnen über laufende und künftige Themen aus.

Welches sind aktuelle Tendenzen im Bereich Swiss made?

Seit Anfang Jahr ist die Übergangsphase abgeschlossen. Das heisst, dass alle Swiss-made-Uhren die 60-Prozent-Regel erfüllen müssen. Dazu kommt, dass seit dem 1. Januar 2019 auch die Regel in Kraft ist, dass die technische Entwicklung einer Uhr in der Schweiz erfolgen muss.

Entwicklung der Uhrenexporte nach Wert und Stückzahl seit 2014
Das Exportvolumen ist wertmässig in den letzten fünf Jahren weitgehend stabil geblieben: 2014 exportierte die Schweiz Uhren und Bestandteile im Gesamtwert von 22,24 Milliarden Franken. Nach einem leichten Rückgang zwischen 2015 und 2017 ist der gesamte Exportwert 2018 wieder auf 21,17 Milliarden Franken geklettert. – Anders sieht die Situation bei den Stückzahlen aus. Von 2014 bis 2018 ist die Anzahl der exportierten Uhren von 28,5 Millionen auf 23,7 Millionen Uhren gesunken. Dieser Rückgang betraf vor allem die elektronischen Uhren, wo die Stückzahl exportierter Uhren von 2014 bis 2018 von 20,45 auf 16,21 Millionen zurückgegangen ist. Nicht zuletzt im Einstiegspreissegment bis 200 Franken Exportwert haben die exportierten Stückzahlen spürbar abgenommen. Bei den mechanischen Uhren war der Rückgang dagegen kleiner. 2014 wurden 8,13 Millionen Uhren exportiert, 2018 waren es 7,52 Millionen. Seit 2016, wo nur noch 6,96 Millionen mechanische Uhren exportiert worden waren, ist diese Zahl sogar wieder leicht gestiegen. (mw)
Bild: FH-Präsident Jean-Daniel Pasche.

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